Regionalwettbewerb Jugend forscht in Emden Wo Vegetarier den Gelatine-Kompromiss eingehen

Stephanie Schuurman
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Von Stephanie Schuurman
| 16.02.2024 09:02 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
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Mögen gerne Gummi-Bärchen: Friederike Bekker, Mariella Fichtner und Mia Filus. Foto: Schuurman
Mögen gerne Gummi-Bärchen: Friederike Bekker, Mariella Fichtner und Mia Filus. Foto: Schuurman
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Bei Jugend forscht in Emden gibt es Fruchtgummi mit besonderem Biss und andere erstaunliche Experimente. Wir haben uns mal umgeschaut.

Emden - Es ist ein recht geordnetes Gewusel an diesem Donnerstagmorgen in den Pausenhallen der Berufsbildenden Schulen II (BBSII) in Emden. Rechts und links reihen sich die Tische mit Präsentationen aus den Fachbereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik (MINT) auf. Exakt 66 Projekte verteilen sich dort, 140 Schülerinnen und Schüler haben sich zu diesem 41. Regionalwettbewerb von „Jugend forscht“ oder „Schüler experimentieren“ angemeldet. Sie kommen aus dem gesamten Nordwesten, aus Wilhelmshaven, Ritterhude, Oldenburg und viele aus Ostfriesland. Was sie eint? „Sie haben Spaß an der Schule und arbeiten sogar auch nach der Schule noch an ihren Projekten“, sagt Georg Janssen, Lehrer des Johannes-Althusius-Gymnasiums (JAG) in Emden und zum sechsten Mal Organisator des Wettbewerbs.

Gelernter Maschinenbauer und technikaffiner Lehrer: Regionalwettbewerbs-Organisator Georg Janssen. Foto: Schuurman
Gelernter Maschinenbauer und technikaffiner Lehrer: Regionalwettbewerbs-Organisator Georg Janssen. Foto: Schuurman

Tatsächlich messen sich die jungen Leute mit ihren Projekten in einem ziemlich harten Wettbewerb - und das freiwillig. 36 Juroren aus den Fachbereichen, aus Schule, Hochschule und Wirtschaft prüfen vorab die schriftlich eingereichten Arbeiten. An diesem Donnerstag hat jede Gruppe nochmal fünf Minuten Zeit, ihre Idee oder Erfindung mündlich vorzutragen. Kids von 9 bis 14 Jahren gehören zu „Schüler experimentieren“ und können als Sieger zum nächsten Wettbewerb nach Einbeck fahren, 15 bis 21 Jahre sind die, die bei „Jugend forscht“ über Clausthal-Zellerfeld bis zum Bundeswettbewerb nach Berlin reisen können. Voraussetzung: Immer nur die Erstplatzierten eines jeden der bundesweit 90 Regionalwettbewerbe kommen weiter.

Gummibärchen mit besonderem Biss

Aufs Weiterkommen hoffen beispielsweise Friederike Bekker, Mariella Fichtner und Mia Filus. Die drei Sechstklässlerinnen des JAGs sind im Fachbereich Chemie der Frage nachgegangen, ob Gummibärchen auch in einer gesünderen Variante hergestellt werden können. „Wir essen alle drei so gerne Gummibärchen“, erklärt Mariella zu ihrem Experiment. Honig gegen Zucker auszutauschen klappt so weit, haben die drei festgestellt. Agar Agar, also dieses vegane Geliermittel gegen das gewöhnliche aus tierischem Bindegewebe zu ersetzen, ist dagegen nur bedingt lecker, wie sie sagen. Der in der Eiswürfelform angerührte Apfel- und Traubensaft blieb mit dem Algenextrakt nämlich breiig, mit Gelatine immerhin in der Konsistenz schon wackelpuddingartig. „Der Biss wie beim Haribo-Gummibär ist das nicht“, so die drei. „Ist aber auch lecker.“ Und noch eine Erkenntnis: So ganz verkehrt sei der Gelatine-Kompromiss selbst für die drei Vegetarierinnen nicht. „Damit sind die Gummibärchen viel länger haltbar.“

Nicht alles muss perfekt sein im Ergebnis, schon der Weg der Erkenntnis ist ein wichtiges Ziel bei allen Projekten des 1965 von Henri Nannen ins Leben gerufenen Wettbewerbs. Ziel ist es seit jeher, insbesondere Interesse in den MINT-Fächern zu wecken und auch dem Fachkräftemangel in diesen Bereichen zu begegnen.

Letzter Auftritt für Nele Drüner

Ein Paradebeispiel, bei dem das geklappt hat, ist Nele Drüner. Die 18-Jährige angehende Abiturientin des JAGs nimmt zum achten Mal am Regionalwettbewerb teil. Unterstützt von ihrem Physik-Lehrer Stefan Wild hat sie sich dieses Mal mit „Kohärenz-Wellen im Gleichschritt“ befasst. Schon vorher experimentierte sie mit diversen Lichtquellen, jetzt also nahm sie insbesondere Laser in den Fokus. „Auch ein Laserstrahl ist nicht perfekt“, erklärt sie dem Laien an ihrem Präsentationstisch, auf dem eine selbst entwickelte optische Apparatur aufgebaut ist, ein „Interferometer“. Damit steuert sie die Lichtwellenlängen und somit das Strahlungsprofil, erreicht ein stabiles oder eben breit gestreutes Wellenmuster. Alles klar?

Ein Dream-Team seit acht Jahren: Nele Drüner und Stefan Wild. Foto: Schuurman
Ein Dream-Team seit acht Jahren: Nele Drüner und Stefan Wild. Foto: Schuurman

Für die technikbegeisterte Nele Drüner auf jeden Fall. Sie hat den Durchblick. Hoffentlich auch die Juroren. 2022 hatte es Nele Drüner ganz weit in den Bundeswettbewerb geschafft, gewann dort sogar zwei Sonderpreise, verbunden mit einem Seminar in London. Gewonnen hat sie durch die kontinuierliche Arbeit an neuen Projekten aber ohnehin, wie sie sagt. „Acht Jahre lang war das Technik-Labor mit Stefan mein zweites Zuhause“. Ihr weiterer beruflicher Weg ist damit auch längst geebnet. Sie will nach dem Abi Luft- und Raumfahrttechnik in Aachen studieren, MINT-Förderung also gelungen.

Kohlendioxid zur Weiternutzung

Jarne Seibt vom Ubbo-Emmius-Gymnasium in Leer ist auch so einer, der dabeibleiben und Chemie studieren will. Mit seinem Schulkameraden Arne Koenen, beide sind in der 13. Klasse, hat er jetzt eine modulare Apparatur aus dem 3D-Drucker erschaffen, die Kohlendioxid aus der Umgebungsluft filtert. Beide meinen, dass man nicht warten könne, bis alles CO2-neutral läuft - Autoverkehr, Fabriken etc. - „wir müssen jetzt das CO2 binden“. Etwas Monoethanolamin, ein paar Schläuche und ein mit grünem Strom angetriebenen Motor, und schon sei das CO2 gebunden. Der Clou: Die Apparatur ist keine bloße Filteranlage. „Das gewonnene Kohlendioxid kann für E-Fuels oder als Rohstoff zur Herstellung anderer Energie genutzt werden“, sagt Arne Seibt.

Sammeln CO2 aus der Luft: Jarne Seibt und Arne Koenen. Foto: Schuurman
Sammeln CO2 aus der Luft: Jarne Seibt und Arne Koenen. Foto: Schuurman

Mathematisch gehen Finn Kramer und Marie Claaßen vom Gymnasium Ulricianum in Aurich an ihr Projekt, bei dem der berühmte Goldene Schnitt im Mittelpunkt steht. Ist es wirklich so, dass Gesichter von Menschen attraktiver sind und bevorzugt werden, wenn sie dem Goldenen Schnitt entsprechend symmetrisch sind?

Zahlenbeweis für Schönheit und Wachstum

Ihre subjektive Umfrage zu entsprechenden Gesichtern bestätigt dies, aber eben auch die objektive Betrachtung mit Zahlen. Der Goldene Schnitt, so beweisen sie, lässt sich dabei in einem Raster mit irrationalen Zahlen unendlich belegen. Unendlich funktioniert auch die Fibonacci-Folge, die sie an Tannenzapfen oder dem Fruchtstand der Sonnenblume aufzeigen. Mit ihr gelingt ebenfalls ein Goldener Winkel, erklären sie den Nichtmathematikern vor ihrem Präsentationstisch. Je höher die Zahl dort, desto mehr Licht fällt beispielsweise auf die Fruchtansätze, wo die Photosynthese, also das Wachstum bestärkt wird. Die Natur in Zahlen, die sich ganz offensichtlich was dabei gedacht hat.

Beweisen Schönheit mathematisch: Finn Kramer und Marie Claaßen. Foto: Schuurman
Beweisen Schönheit mathematisch: Finn Kramer und Marie Claaßen. Foto: Schuurman

Wer von den Jungforscherinnen und Jungforschern letztlich das Ticket für den nächsten Entscheid qualifiziert hat, wird an diesem Freitagvormittag feierlich in der Johannes a Lasco Bibliothek verkündet. Insgesamt haben sich in diesem Jahr im Übrigen mehr als 10.000 MINT-Talente bundesweit beworben.

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