Razzien in Niedersachsen Schlag gegen rechte Szene – 34-Jähriger festgenommen

Claus Hock
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Von Claus Hock
| 26.10.2023 15:06 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
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Mehrere zehntausen Tonträger mit rechter Musik wurden laut Behörden bei den Durchsuchungen sichergestellt. DPA-Symbolfoto: Gollnow
Mehrere zehntausen Tonträger mit rechter Musik wurden laut Behörden bei den Durchsuchungen sichergestellt. DPA-Symbolfoto: Gollnow
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Am Donnerstagmorgen wurden bundesweit und im Nordwesten Objekte durchsucht. Ein Schwerpunkt lag in Niedersachsen. Hintergrund ist die Bildung einer kriminellen Vereinigung durch Neonazis.

Oldenburg/Niedersachsen - Die Polizei hat am Donnerstag in Niedersachsen, Hamburg, Berlin, Thüringen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg mehrere Immobilien durchsucht. Hintergrund ist ein Verfahren wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Ein Mann wurde dabei verhaftet.

Die Zentrale Kriminalinspektion Oldenburg führt laut Mitteilung seit Monaten zusammen mit der Generalstaatsanwaltschaft Celle ein „umfangreiches Verfahren“. Im Kern gehe es um den nationalen und zum Teil internationalen „Vertrieb von strafrechtlich relevanter, volksverhetzender rechtsextremer Musik durch eine bundesweit agierende Tätergruppierung“. Die Mitglieder der Gruppe seien „größtenteils der rechtsextremen Szene zuzuordnen“.

Drei Objekte in Niedersachsen durchsucht

Schwerpunkt der Durchsuchungen, bei denen sich die Polizei und Generalstaatsanwaltschaft das Auffinden weiterer Beweismittel verspricht, war Niedersachsen. Wie der NDR berichtet, soll es Durchsuchungen unter anderem in Bardowick im Landkreis Lüneburg sowie in Salzgitter gegeben haben. Aber auch auf Mallorca wird ein Objekt durchsucht. Laut Mitteilung von Polizei und Generalstaatsanwaltschaft sei eine „Vielzahl von Objekten“ durchsucht worden. Genaue Orte nennen die Behörden nicht. In Niedersachsen seien drei Objekte durchsucht worden.

Die Polizeiinspektion Emden/Leer teilt auf Nachfrage mit, dass man „keine Kenntnisse“ zu den Durchsuchungen habe. Die Polizeiinspektion Aurich/Wittmund verweist auf die Pressehoheit der Generalstaatsanwaltschaft.

Mutmaßlicher Rädelsführer festgenommen

Eine „34-jähriger mutmaßlicher Rädelsführer aus Niedersachsen“ wurde laut Mitteilung festgenommen. „Den übrigen elf Beschuldigten im Alter von 36 bis 59 Jahren werden unterschiedliche Tatbeiträge vorgeworfen, die von Grafikdesign über Tontechnik, Mediendruck, Koordination von Schallplattenpressungen bis hin zum Verkauf an Zwischenhändler und Endkunden reichen“, so die Generalstaatsanwaltschaft. Die Musik auf den Tonträgern enthalte „menschenverachtende, antisemitische sowie volksverhetzende Texte, die geeignet sind, rechtsextremistisches Gedankengut zu schüren, zu verfestigen und Gewaltaktionen zu provozieren“.

Laut Verfassungsschutzbericht Niedersachsen gab es im vergangenen Jahr in Niedersachsen lediglich zwei rechte Versandhandel. „In Niedersachsen sind lediglich die Online-Versände ‚Kategorie C’ und ‚Hungrige Wölfe’ ansässig.“ In beiden vertreibt Hannes Ostendorf, Neonazi und rechter Musiker, ausschließlich Tonträger und Merchandise seiner eigenen Bandprojekte. Ob Ostendorf Ziel der Ermittlungen war, ist nicht bekannt.

Musik eine wichtige Einnahmequelle

Ostendorf sollte jüngst mit seiner Band „Kategorie C“ in der Grafschaft Bentheim auftreten. Anfang des Monats verhinderte die Polizei das Konzert in Schüttorf in der Grafschaft Bentheim.

Anfang August fand zudem in der Gemeinde Krummhörn ein Konzert statt, welches von Mitgliedern der rechten Szene organisiert wurde. Hier trat eine Böhse-Onkelz-Coverband auf, deren Mitglieder am Konzertabend größtenteils ebenfalls der rechten Szene zuzuordnen sind.

In der Vergangenheit haben immer wieder rechte Konzerte oder „Liederabende“ in Niedersachsen stattgefunden. Der Vertrieb von Musik und die Organisation von Konzerten gehören zu wichtigen Einnahmequellen der rechten Szene.

Durchsuchungen in anderen Bundesländern

In Thüringen war wohl, so berichten das Göttinger Tageblatt und der MDR, der gebürtige Niedersachse Thorsten Heise Ziel der Durchsuchungen. Heise ist ein bekannter, einflussreicher Neonazi. Von Thüringen aus betreibt er rechte Versandhandel. Das Portal „Recherche Nord“ berichtet auf Twitter ebenfalls, dass bei Heise, der Mitglied im Bundesvorstand von „Die Heimat“ (bis Juni 2023: NPD) ist, Durchsuchungen stattgefunden haben.

Weitere Durchsuchungen soll es laut Recherche Nord in Hamburg bei einem „wichtigen Hintergrundakteur“ im Rechtsrock gegeben haben. Die Durchsuchungen auf Mallorca trafen laut Recherche Nord „einem der wichtigsten Produzenten von Rechtsrock“.

Vermögensarreste ausgesprochen

An den Durchsuchungen am Donnerstag waren rund 250 Einsatzkräfte der Polizei beteiligt. Das Amtsgericht Celle hat gegen vier mutmaßliche Mitglieder der Kerngruppe Vermögensarreste in unterschiedlicher Höhe angeordnet. „Die heutigen Maßnahmen dienten daher auch der Abschöpfung illegal erzielter Gewinne. Der vermutliche Erlös aus den Plattenverkäufen wird nach derzeitigem Stand der Ermittlungen auf 199.000 Euro geschätzt“, so die Generalstaatsanwaltschaft.

Bei den Durchsuchungen wurden demnach mehrere zehntausend Tonträger (CDs und Schallplatten), zahlreiche elektronische Kommunikationsmittel (Smartphones und Notebooks) und Speichermedien, ein fünfstelliger Bargeldbetrag sowie schriftliche Unterlagen sichergestellt. „Die Auswertungen dauern an.“

Ermittler zeigen sich zufrieden

Oldenburgs Polizeipräsident Johann Kühme zeigte sich „überaus zufrieden“ mit dem Ermittlungserfolg: „Den Ermittlern der ZKI Oldenburg ist es zu verdanken, die tief verzweigten Strukturen dieses rechten, hasserfüllten Netzwerks aufgedeckt und ihm nun einen empfindlichen Schlag versetzt zu haben“, wird er in der Pressemitteilung zitiert. Hier werde Musik statt zur Unterhaltung als politisches Instrument für menschenfeindliche Ideologien missbraucht. „Volksverhetzung gehört in keine Playlist und Hass darf sich nicht vermarkten!“, so der Präsident der Polizeidirektion Oldenburg weiter.

Auch Martin Appelbaum, Leiter der Zentralstelle Terrorismusbekämpfung der Generalstaatsanwaltschaft Celle, betont die Gefahr, die von rechter Musik ausgehe: „„Damit sollten gezielt junge Menschen angesprochen werden, auf die rechtsradikal-propagandistisch eingewirkt werden soll. Diesen Bestrebungen, die sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richten, müssen die Strafverfolgungsbehörden mit allem Nachdruck - wie heute geschehen - entgegenwirken.“

Rechte Szene vermehrt im Fokus

Die rechte Szene in Deutschland geriet in den vergangenen Wochen immer wieder in den Fokus der Öffentlichkeit. So wurden am 19. September die sogenannten „Hammerskins“ durch das Bundesinnenministerium verboten. Mitglieder dieser Neonazi-Gruppierung waren Anfang August auch bei einem Konzert in der Krummhörn im Einsatz.

Am 27. September folgte das Verbot der rassistisch-völkischen Gruppierung „Artgemeinschaft“ durch das Bundesinnenministerium.

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