Kölner Leiharbeitsfirma Ausgebeutete Mitarbeiter bei Dienstleister von VW Emden

Daniel Noglik
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Von Daniel Noglik
| 15.02.2023 19:29 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 3 Minuten
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Die überwiegend polnischen Beschäftigten waren unter anderem an VW-Töchter verliehen worden. Symbol-Archivfoto: Jaspersen/DPA
Die überwiegend polnischen Beschäftigten waren unter anderem an VW-Töchter verliehen worden. Symbol-Archivfoto: Jaspersen/DPA
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Im vergangenen Jahr fasst eine Kölner Leiharbeitsfirma Fuß im Umfeld des Emder VW-Werks. Das Problem: Die Mitarbeiter werden nicht ordentlich bezahlt und hausen in heruntergekommenen Wohnungen.

Emden/Köln - Im Umfeld des Emder Volkswagen-Werks ist es in den vergangenen Monaten zur Ausbeutung von Arbeitskräften, insbesondere von Menschen aus Polen, gekommen. Das hat eine mehrwöchige Recherche unserer Redaktion ergeben. Eine Kölner Unternehmensgruppe hatte im vergangenen Jahr Verträge mit der Volkswagen Group Services GmbH, der Dirks-Group und der EVAG geschlossen, um Arbeitnehmer nach Ostfriesland zu verleihen. Mehrere Informanten berichteten unserer Redaktion davon, dass die Angestellten in Ostfriesland in heruntergekommenen Wohnungen untergebracht worden seien. Außerdem seien Lohnzahlungen nicht pünktlich und/oder deutlich zu spät erfolgt. Wenn es zur Auszahlung gekommen sei, habe es das Geld meist bar aus der Hosentasche eines Kölner Mitarbeiters gegeben.

Zunächst waren die Mitarbeiter in angemessenen und von einem Emder Makler verwalteten Wohnungen beziehungsweise Häusern untergebracht worden. Als die Miete allerdings auch nach mehreren Mahnungen nicht bezahlt worden war, warf der Mann die Angestellten aus den Unterkünften. Unterlagen, die den Mietrückstand der Kölner Unternehmensgruppe belegen, liegen der Redaktion vor. Unklar ist, warum die Mieten nicht bezahlt worden sind: Ihr Arbeitgeber hatte den Polen jeden Monat eine Pauschale für die Unterkunft von ihrem Lohn abgezogen. Unklarheiten gab es auch, was die Sozialversicherung betrifft: Gut informierte Quellen berichten von nicht getätigten Anmeldungen zur Krankenversicherung und nicht gezahlten Sozialversicherungsbeiträgen.

Wurden medizinische Unterlagen gefälscht?

Von Informanten mit Einblick in die Geschäfte des Unternehmens gibt es weitere Vorwürfe: Mindestens intern seien gefälschte Dokumente des Werksarztzentrums Deutschland verschickt worden. Das Kölner Unternehmen war unserer Recherche zufolge an das Zentrum herangetreten, um dort verpflichtende Vorsorgeuntersuchungen für seine Arbeitnehmer durchführen zu lassen. Das sei zutreffend, teilte eine Sprecherin der Redaktion mit. „Der Vertrag wurde jedoch nie gelebt, da der Kunde seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist“, hieß es. Das Werksarztzentrum habe für die Firma nie eine Dienstleistung erbracht, also keine Untersuchungen bescheinigt. Ob die mutmaßlich gefälschten Dokumente in Ostfriesland als Vorsorgenachweis vorgelegt wurden, wissen wir nicht.

Die Dirks-Group, die EVAG und die Volkswagen Group Services GmbH haben sich inzwischen von dem Kölner Dienstleister getrennt. Es seien „zahlreiche Mängel im Prozedere der Firma zum Beispiel hinsichtlich der Lohnauszahlung und Unterkunftssituation“ aufgetaucht, schreibt etwa ein Sprecher der Dirks-Group als Grund für die Vertragsauflösung. Die zuletzt noch an die Volkswagen Group Services GmbH, eine 100-prozentige VW-Tochter, verliehenen Arbeitskräfte sind bei der Autovision, ebenfalls eine VW-Tochter, untergekommen. Die Emder IG Metall war eingeschritten, nachdem sich einige Beschäftigte mit einem Hilferuf an die Gewerkschaft gewandt hatten.

Das Kölner Unternehmen, das im Fokus der Vorwürfe steht, war gegenüber der Redaktion nicht zu einer Stellungnahme bereit. „Wie Sie sich sicher vorstellen können, werden wir uns zu Unternehmensinterna nicht äußern“, hieß es als Antwort auf einen umfangreichen Fragenkatalog unsererseits. Unklar ist, wie es mit der Firmengruppe weitergeht: Eine der drei Gesellschaften unter deren Dach ist insolvent, zwei weitere haben nach Auskunft der Agentur für Arbeit keine Genehmigung für die Arbeitnehmerüberlassung mehr. Und dennoch: Ganz aktuell ist eine neue Stelle ausgeschrieben worden – mit der Aussicht auf teure Sportwagen.

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