Kolumne: Intern

Gelber Stern wird nicht ausgefiltert

Joachim Braun
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Eine Kolumne von Joachim Braun
| 17.12.2021 09:22 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 2 Minuten
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Wir sind es leid, dass wir auf Facebook und auch auf unserer Webseite mit Hasskommentaren überschüttet werden. Ab sofort werden wir die Autoren sperren und gegen die Autoren Anzeige erstatten.

Wir haben ein Problem: Weil Hass-Kommentare auf den Online-Kanälen inzwischen überhand nehmen und nur mit großem Aufwand beherrschbar sind, haben wir seit kurzem eine spezielle Software im Einsatz, die nach problematischen Begriffen sucht und diese Kommentare ausfiltert. Das ist aufwändig, teuer - und ich finde es schrecklich, dass eine solche Software notwendig ist.

Zur Person

Joachim Braun (55) ist Chefredakteur der Ostfriesen-Zeitung, des General-Anzeiger und der Borkumer Zeitung. Davor leitete er die Redaktionen der Frankfurter Neuen Presse und des Nordbayerischen Kurier in Bayreuth. 2012 wurde er von einer Fachjury zu Deutschlands „Regional-Chefredakteur des Jahres“gewählt.

Aber sie hat auch Grenzen. Wenn, was gerade voll im Trend liegt, Hilfsmittel in 2G-Situationen, zum Beispiel Bändchen, mit jenen gelben Sternen verglichen werden, mit denen in der NS-Zeit Juden ausgegrenzt wurden, wenn also unsere gegenwärtige Demokratie verglichen wird mit der Nazidiktatur und Impfpflicht mit der Vernichtung der Juden, dann scheitert auch eine solche, dank eines klugen Algorithmus „lernende“ Software. Also müssen Kristina Groeneveld, unsere Social-Media-Beauftragte, oder einer der Online-Kollegen wieder per Hand ran und Kommentare löschen. Mühsam, einen nach dem anderen.

Das haben wir jetzt satt. Wir werden nun jeden dieser absurden, verhetzenden Kommentare per Screenshot sichern, den Autor sperren und Anzeige gegen ihn (meistens) oder sie (seltener) erstatten. Ohne Ausnahme. Sonst hilft ja leider nichts. In Zeiten der Flüchtlingskrise sah ich mich bei einer anderen Zeitung schon mal dazu gezwungen: In der Regel hinterließ ein Strafbefehl über mindestens 1500 Euro verdutzte Hetzer, die trotz ihres „So war‘s ja nicht gemeint“ bezahlen mussten.

Wie verquer viele Leute inzwischen in dieser verdammten Pandemie unterwegs sind, zeigte auch die Reaktion eines Lesers gestern auf die Seite, in der wir grafisch an die inzwischen über 200 Coronatoten in Ostfriesland erinnert haben. Die Seite sei „Journalismus der allerübelsten Sorte“. Und, an die Autorin gerichtet: „Sie sollten sich wirklich schämen.“ Schämen, echt jetzt? Ich finde, 200 Verstorbene, hinter denen ein Vielfaches an trauernden Angehörigen stehen, sind Anlass genug, deutlich zu machen, welches Leid dieses Virus über uns alle gebracht hat.

Kontakt: j.braun@zgo.de

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