Quo vadis Kunsthalle?

Kunsthalle Emden: Der stille Abschied des Nannen-Nachfolgers

Gordon Päschel
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Von Gordon Päschel
| 08.06.2021 12:09 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 3 Minuten
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Er war gekommen, um die Kunsthalle Emden von Eske Nannen zu übernehmen. Die Übergabe ist gescheitert, Dr. Stefan Borchardt hat das Haus in aller Stille verlassen. Wie geht es weiter?

Emden - Keine Blumen, keine Erklärung und kein offizieller Abschied: In aller Stille hat Dr. Stefan Borchardt die Kunsthalle verlassen, das Aushängeschild der Emder Museumslandschaft. Es ist das Ende eines Experiments, das als krachend gescheitert angesehen werden muss. Mit Borchardt geht jener Mann, der das Haus nach einer tiefgreifenden Reform von seiner Gründerin und Stifterin Eske Nannen emanzipieren sollte. Sie wollte sich langsam aus der Verantwortung zurücknehmen. Aber offensichtlich gab es da eine Reihe von Missverständnissen.

Bereits vor gut einem Jahr hatte die Museumsleitung bekanntgegeben, dass Borchardt seinen Vorstands-Vertrag auf eigenen Wunsch nicht verlängern würde. Der Kontrakt war auf fünf Jahre festgeschrieben gewesen und sollte im Februar 2022 auslaufen. Stattdessen kam es zum vorzeitigen Ende. „Er hat alle Ämter niedergelegt“, sagt Michael Kühn, der neben Borchardt als kaufmännischer Vorstand das Haus führt. Über die Gründe habe man „Stillschweigen vereinbart“. Borchardt selbst sagt, dass man die Dinge „intern geregelt“ habe in „beiderseitigem Einverständnis“. Seine berufliche Zukunft lässt der 54-Jährige, der aus Baden-Württemberg mit seiner Familie nach Ostfriesland gekommen war, offen. „Wir haben die Absicht, in Emden zu bleiben“, sagt er.

Ehemaliges Spitzentrio der Kunsthalle: Dr. Stefan Borchardt (von links), Eske Nannen und Michael Kühn.
Ehemaliges Spitzentrio der Kunsthalle: Dr. Stefan Borchardt (von links), Eske Nannen und Michael Kühn.

Das Erbe der Nannens

Die Entwicklung trifft die Kunsthalle in einer schwierigen Phase. Zum einen leidet das Museum wie alle anderen kulturellen Einrichtungen unter den Nachwirkungen der Corona-Zwangspausen. Die Bindung an Besucher muss neu aufgebaut werden. Zum anderen steckt das Privatmuseum seit Jahren im Umbruch. Borchardt sollte diesen Wandel gestalten. Er kam 2017, um das Profil der Kunsthalle neu zu schärfen. Es war von vornherein kein einfaches Unterfangen. Denn die Kunsthalle, das war bis zu seinem Dienstbeginn vor allem das in allen Winkeln des Hauses spürbare Lebenswerk der Familie Nannen. Das Erbe von Henri und Eske Nannen lastete von Anfang an schwer auf seinen Schultern.

Intellektueller Diskurs: 2019 setzte sich Stefan Borchardt bewusst und gezielt in der Kunsthalle mit der Nazi-Vergangenheit von Emil Nolde auseinander. Foto: Ortgies
Intellektueller Diskurs: 2019 setzte sich Stefan Borchardt bewusst und gezielt in der Kunsthalle mit der Nazi-Vergangenheit von Emil Nolde auseinander. Foto: Ortgies

Dem Druck war der promovierte Kunsthistoriker offenbar nicht gewachsen, sein Körper und seine Gesundheit forderten immer wieder längere Auszeiten ein. Borchardt ist Kopfmensch. Entgegen dem direkten und bisweilen hemdsärmeligen Wesen der Nannens sieht er seine Stärke vor allem in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Kunst. Die Kunsthalle aber brauchte und braucht nicht nur gut kuratierte Ausstellungen und einen intellektuellen Diskurs, sondern einen Macher. Der Bund hat dem Haus 30 Millionen Euro versprochen. Dieses Geld will gut angelegt sein. Mit der Förderung soll auch baulich die Zukunft abgesichert werden. Borchardt hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass ihn diese Art der Projektarbeit nicht ausfüllt.

Stelle noch nicht ausgeschrieben

Wie also geht es weiter? Wer schließt die Lücke, die seit Monaten an der Spitze der Kunsthalle klafft? „Dafür ist allein der Stiftungsvorstand verantwortlich“, sagt Michael Kühn. Die Vorsitzende dieses Aufsichtsrates ist Eske Nannen. Sie war am Montag und Dienstag für Nachfragen nicht zu erreichen. Aus ihrem nahen Umfeld aber ist zu hören, wie sehr sie die ungelöste Nachfolge belaste. „Sie möchte schrecklich gerne alles geregelt wissen“, hieß es da.

Trotzdem, bestätigt Kühn, ist die Direktorenstelle bis heute nicht ausgeschrieben worden. Zu den Gründen könne er allerdings nichts sagen, so der kaufmännische Leiter der Verwaltung. Abzusehen sei dagegen, dass die wissenschaftliche Abteilung im Haus nachbesetzt wird. Eine Stellenanzeige werde vorbereitet, so Kühn. Er gehe davon aus, dass sie in den kommenden Wochen veröffentlicht werde.

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