Historie

Scherko – der Torpedo-Fischer von Borkum

Enno Heidtmann
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Von Enno Heidtmann
| 25.03.2021 20:12 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
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Die Nachkriegsjahre waren auch auf Borkum nicht leicht. Der junge Wolfgang Hintze kam mit sechs Jahren als Flüchtling aus Pommern auf die Insel. Er wurde Fischer und erlebte eine beispiellose Zeit.

Borkum - Der ehemalige Fischer Wolfgang Hintze kam mit seinen Eltern 1950 auf die Insel Borkum, geflohen durch die Nachkriegswirren in Pommern. Genannt wird er „Scherko“, nach dem Namen des Schiffes auf dem er fuhr und kuriose und verrückte Dinge erlebte. „In dieser Zeit hat es auf der Insel einige Unfälle mit Kriegsmunition gegeben, die überall verstreut zu finden war“, berichtet Hintze. Zwei Jungen hätten zu dieser Zeit eine Mine gefunden und mit einem Hammer darauf geschlagen. „Ich brauche jetzt nicht ins Detail gehen, was mit den beiden passiert ist“, sagt Hintze heute.

Die Anfangsjahre auf der Insel waren nicht immer einfach für einen kleinen Jungen, der bei den Borkumer Kindern als Flüchtling galt. „Wir hatten aber auch andere Kinder dabei, die sich nicht selten auch mal mit den Fäusten durchgesetzt haben“, berichtet Hintze. Schon sehr früh musste er lernen zu arbeiten. Mit knapp 15 Jahren begann er zur See zu fahren – das war 1959. „Mein Vater sagte mir damals, wenn ich weiterhin am Tisch sitzen möchte, soll ich anfangen Geld zu verdienen“, sagt der ehemalige Seemann. Nach dem Krieg sei das normal gewesen, dass man schon früh lernte zu arbeiten.

Nach dem Krieg gab es noch keinen Kampfmittelräumdienst

In der Zeit als Fischer habe er sehr viel erlebt, denn rund um Borkum liegen gesunkene Schiffe auf dem Meeresboden und eine Unmenge an militärischem Schrott. „Einmal waren wir kurz vor Helgoland und hatten unsere Netze eingeholt. Da hatten wir wieder einmal einen Anker im Netz. Ärgerlich, denn die Dinger machen ja auch die Netze kaputt“, erzählt Hintze. Eigentlich dürfe man die gefischten Dinge nicht so ohne weiteres behalten und müsse es dem Zoll melden. „Kurze Zeit später begegneten wir einem holländischen Fischer, der dringend einen zweiten Anker bräuchte“, berichtet Scherko. Sie übergaben den Fischer-Kollegen den gefundenen Anker und gaben dafür einen anderen beim Zoll ab. „Das ist doch gar nicht der Anker, sagte der Zollbeamte. Mein Vater entgegnete lediglich: Wenn ich sage, dass ist der Anker, dann ist das der Anker!“, berichtet der Senior lachend.

Die Bergung des Torpedos war nicht ungefährlich und einfach. Repro: Ortgies
Die Bergung des Torpedos war nicht ungefährlich und einfach. Repro: Ortgies
„Wir haben auch viel Munition gefischt. Damals gab es ja noch keinen Kampfmittelräumdienst, der es hätte entschärfen können – also ab wieder zurück ins Wasser“, sagt Hintze. Es sei eine verrückte Zeit gewesen, in der man auch rückblickend völlig unbedarft mit diesen Funden umgegangen sei. „Eines Tages zogen wir wieder unsere Netze ein und ein Torpedo war darin verfangen. Scharfkantig, vom Salzwasser schon angerostet holten wir das Ding an Bord“, erzählt Hintze. Für ihn sei zu allererst der Antrieb wichtig gewesen, denn der war aus wertvollem Kupfer. So machte sich der junge Fischer ans Werk und entfernte, ohne die Gefahr zu bedenken, den Antrieb. „Als wir dann auf Borkum den Rest an die Bundeswehr übergeben hatten, gab es ein Donnerwetter von den Soldaten. Mein Vater fragte, wer denn das Teil gefunden hätte und das Thema war vom Tisch.“

Auf Borkum gab es eine Vielzahl an Munition zu finden

In den Netzen haben sich immer wieder Munition, Anker oder Schiffsteile verfangen.
In den Netzen haben sich immer wieder Munition, Anker oder Schiffsteile verfangen.
Nachdem die Bundeswehr dann den gefischten Torpedo zur Vernichtung vorbereitet und gezündet hatten, sei nichts passiert. Nicht die erwartete Detonation, die eine solche Waffe eigentlich anrichten würde. Lediglich eine Verpuffung. „Im Nachhinein stellte sich heraus, dass ein abgeschossener Übungs-Torpedo war und wir einfach großes Glück hatten“, sagt Hintze, der bis 1968 auf dem Schiff namens „Scherko BOR 12“ fuhr und seither den Spitznamen Scherko trägt.

Neben der Kriegsmunition in der See gab es auch Unmengen an davon auf der Insel. Borkum wurde zur NS-Zeit als Seefestung ausgebaut, daher befanden sich auch viele Flugabwehrgeschütze auf der Insel. Hintze berichtet, dass die wertvollen Messinghülsen sehr begehrt waren und verkauft wurden. Die wurden dann wieder für den Korea-Krieg auf dem Festland aufbereitet.

„Da wurde der Kopf entfernt, das Schwarzpulver entnommen und die Hülsen wurden dann für den nächsten Krieg verwendet“, sagt das Urgestein. Das Schwarzpulver wurde nicht selten dafür verwendet, um einen Ofen anzuheizen. Hintze berichtet auch, dass in den Seekarten um Borkum noch eine Gefahrenzonen eingezeichnet seien, wo sich Munition befinde.

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